Selbstverständnis »Hope Ahead«

»Waking up is not a normal procedure as for others«

Depressionen und psychische Erkrankungen sind in unserer Gesellschaft nach wie vor stark tabuisiert. Das ist für uns kein tragbarer Zustand. Auch die weiteren Belastungen durch den Alltag der Pandemie und den fehlenden Diskurs in unserem Umfeld darüber, verstärkten in uns den Wunsch nach Empowerment und einem strukturellen Zusammenschluss. Im Herbst 2021 fanden wir uns als Initiative unter dem Namen »Hope Ahead« zusammen. Wir alle sind Personen aus der organisierten Fanszene des SV Werder Bremen, die durch verschiedene Formen von Depressionen betroffen waren oder sind. Geeint durch die Ansicht, dass das Themenfeld Depression gesellschaftlich zu wenig Beachtung findet, wollen wir dieses Projekt nutzen, um ein größeres Bewusstsein zu erzeugen und Betroffene sowie ihre Angehörigen zu unterstützen. Darüber hinaus verbindet uns ein kritischer Blick auf die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die sich, durch deren Machtverhältnisse und Rollenerwartungen, begünstigend auf Depressionen auswirken.

Uns ist bewusst, dass wir ein Thema bearbeiten, das für Fankurven und den Fußball nicht selbstverständlich ist. Schließlich sind es Orte, an denen sich alles um Leistung, Einsatzbereitschaft und die Demonstration von Stärke dreht. Innerhalb der Ostkurve des Weserstadions finden wir jedoch einen Raum vor, der durch jahrelange progressive Arbeit organisierter Gruppen und das Engagement diverser Vorreiter*innen erkämpft und gestaltet worden ist. So existiert heute ein Klima, das es uns ermöglicht, innerhalb der Kurve mit unserem Thema laut zu werden. Durch unsere Bezüge zur Ultrà-Bewegung verstehen wir uns als solidarisch mit allen vorangegangenen und andauernden Kämpfen, sowie bereits bestehenden Projekten. Wir positionieren uns gegen menschenfeindliche Bestrebungen und regressive Verhaltensweisen.

»I'm trapped in my mind, nobody cares, but how should they know?«

In der Regel bleibt die Depression ein täglich wiederkehrender innerer Kampf mit dem eigenen Selbst. Sie ist nicht einfach da. Sie entwickelt sich – mal schleichend, mal schnell und bleibt von den Betroffenen zunächst häufig unbemerkt. Treffen kann es jede*n. Dennoch werden Depressionen häufig unterschätzt, das Leid der Betroffenen nicht ernst genommen, Symptome nicht erkannt oder Hilfsangebote nur schwer und nach langwieriger Wartezeit zugänglich gemacht. Dabei ist die Depression eine ernstzunehmende Erkrankung, die etwa jede fünfte Person in Deutschland betrifft. [1] Je länger es dauert, bis eine Diagnose erstellt, professionelle Unterstützung vermittelt und angewendet wird, desto ausgeprägter können sich Depressionen und daraus resultierende Begleiterscheinungen entwickeln. Die Ursachen können variieren und bedingen sich nicht selten durch verschiedene Faktoren, wie erbliche Vorbelastungen, Stoffwechsel- oder Funktionsstörungen im Gehirn, Lebenserfahrungen und -situationen sowie belastende oder traumatische Erlebnisse. [2] Der signifikante Zusammenhang zwischen psychischen Krankheiten und der Welt, in der wir leben, ist unübersehbar. Die kapitalistische Gesellschaft und das Patriarchat wirken verstärkend auf die psychische Verfassung und erhöhen die Wahrscheinlichkeit an Depressionen zu erkranken. Die Rollenzuteilung und die Erwartung an uns, diese zu erfüllen, sowie die Angst davor, diesen nicht zu entsprechen oder es nicht zu wollen, die Höhe des Einkommens, Wohnungs- oder Arbeitslosigkeit, Suchterkrankungen – all das können Faktoren sein. Genauso wie der limitierte Zugang zu medizinischer Versorgung, soziale Isolation, zunehmende Arbeitsbelastung oder die Mehrfachbelastungen von Alleinerziehenden. Daher geht es uns nicht nur darum, Symptome zu erkennen, sondern auch die Ursachen anzuprangern und zu bekämpfen.

»And we’ve gotta fight together ‘cause together is how we win«

Unser Anspruch als Initiative ist es, das Themenfeld Depressionen und Psyche zu enttabuisieren, mit Vorurteilen und falsch vermittelten Vorstellungen aufzuräumen. Wir wollen aus dem Stigma der Schwäche ein Bündnis formen, aus dem wir alle stärker hervorgehen. Zwar können und wollen wir keine medizinische oder therapeutische Arbeit leisten – dies liegt allein in der Hand von Expert*innen – aus einem solidarischen Anspruch heraus, wollen wir jedoch als Ansprechpartner*innen fungieren und Betroffenen sowie Angehörigen nach eigenen Möglichkeiten mit einem niedrigschwelligen Hilfsangebot zur Seite stehen. Ferner ist es unser Anliegen, einen Raum zu schaffen, in dem es möglich ist, Erfahrungen zu teilen und in den Austausch zu treten. Wenn ihr von Depressionen betroffen seid, Angehörige von Betroffenen seid oder schlicht ein Interesse an der Thematik habt, meldet euch gerne bei uns.

Wir halten zusammen, keine*r ist allein!
»Hope Ahead«, April 2022

[1]https://www.deutsche-depressionshilfe.de/depression-infos-und-hilfe/was-ist-eine-depression/haeufigkeit
[2]https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/psychiatrie-psychosomatik-psychotherapie/stoerungen-erkrankungen/depressionen/ursachen/